Gewalt im Sport – wir bieten keinen Raum
Der Schwäbische Turnerbund und die STB-Jugend haben sich zum Ziel gesetzt eine Kultur des Hinsehens und Handelns in den Verbandsstrukturen zu schaffen, um Kinder, Jugendliche und Erwachsene zu schützen und Gewalt im Sport keinen Raum zu bieten.
Jeder Form von Gewalt, unabhängig davon, ob sie körperlicher, seelischer oder sexueller Art ist, wird entschieden entgegen getreten.
Begriffserläuterungen
Psychische Gewalt
Verhaltensweisen, die dem Kind zu verstehen geben, es sei wertlos, mit Fehlern behaftet, ungeliebt, ungewollt, gefährlich oder nur dazu nütze, die Bedürfnisse eines anderen Menschen zu erfüllen.
Beispiele aus dem Trainingsalltag:
- Beleidigungen und Drohungen
- Abwertungen „Du kannst nichts“, „Aus dir wird nie etwas“
- Isolation von restlicher Trainingsgruppe
Physische Gewalt
Einwirkung auf das Kind, die aufgrund ihrer Stärke und ihrer Häufigkeit eine bedeutende Schädigung hervorruft
Beispiele aus dem Vereinsalltag:
- Körperliche Übergriffe wie z.B. Schläge
- Doping/Medikamentenmissbrauch
- Übungsformen, die mutwillig gesundheitliche Schäden riskieren
Sexualisierte Gewalt
Oberbegriff für verschiedene Formen der Machtausübung mit dem Mittel der Sexualität
Grenzverletzungen
Grenzverletzungen sind alle Verhaltensweisen (absichtlich oder unabsichtlich), die persönlichen Grenzen überschreiten. Sie verletzen die Grenzen zwischen Generationen, Geschlechtern und/oder einzelnen Personen. Beispiele:
- sexistische Witze
- das Umarmen und Küssen zur Begrüßung
- das Erstellen von Fotos ohne Rücksprache bzw. mit dem eigenen Handy
Sexuelle Übergriffe
Diese sind Ausdruck eines unzureichenden Respekts und/oder dienen einer gezielten Desensibilisierung im Rahmen der Vorbereitung eines sexuellen Missbrauchs / eines Machtmissbrauchs. Beispiele:
- Missachtung von Intimität in Umkleiden oder Toiletten durch unbefugtes Eintreten oder Fotografieren
- als Spiel oder Hilfestellung getarnte Grenzverletzungen und grenzverletzende Berührungen
- sexuelle Aussagen, Gesten oder Blicke
Strafrechtlich relevante Formen
Strafrechtliche relevante Formen der sexualisierten Gewalt umfassen Formen der Nötigung oder Vergewaltigung, also erzwungene sexuelle Handlungen, die im Strafgesetzbuch (§177, Abs. 1) definiert sind. Beispiele:
- die eigene sexuelle Stimulation in Gegenwart von Kindern und Jugendlichen
- die Aufforderung, sich selbst in Gegenwart des Erwachsenen im Intimbereich zu stimulieren
- das Berühren des Intimbereichs eines Kindes/Jugendlichen
- teilweise oder vollständige Penetration
Wo finde ich hilfe?
kooperationspartner in der region
KOBRA e.V.
Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen
fachberatungsstellen bundesweit
Hilfeportal sexueller Missbrauch
bundesweite kostenfreie und anonyme Anlaufstelle für Betroffene von sexualisierter Gewalt, Telefon: 0800 – 22 55 530
Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen
Beratung per E-Mail, Chat und Telefon für betroffene Frauen; Telefon: 08000 – 116016
Nummer gegen Kummer
Hilfe für Kinder und Jugendliche; Telefon: 116 111
Was geht zu weit
Informationen für junge Menschen rund um die Themen Dating, Liebe, Respekt und Grenzüberschreitungen.
Suse hilft
Frauen und Mädchen mit Behinderungen stärken.
Kein Täter werden
Das Präventionsnetzwerk „Kein Täter werden“ bietet ein an allen Standorten kostenloses und durch die Schweigepflicht geschütztes Behandlungsangebot für Menschen, die sich sexuell zu Kindern hingezogen fühlen und deshalb therapeutische Hilfe suchen.
Weitere Kontakte
Deutscher Turner-Bund
Württembergische Sportjugend
Prävention
In Vereinen mit einer klar kommunizierten „Kultur des Hinsehens und der Beteiligung“ ist das Risiko für alle Formen sexualisierter Gewalt signifikant niedriger. – Studie „Safe Sport“ (2016)
Prävention schafft…
⇒ Vertrauen der Sportlerinnen und Sportler
⇒ Sicherheit für Kinder und ihre Eltern
⇒ Abschreckung gegenüber Täter und Täterinnen. Klare Ansage: ‚Bei uns nicht‘
Täterinnen und Täter meiden häufig Vereine, die sich öffentlich mit den Themen Kinder- und Jugenschutz sowie Gewaltprävention auseinandersetzen. Deshalb ist es unerlässlich, Gewaltausübung gegenüber Kindern und Jugendlichen zum Thema zu machen und alle im Verein dafür zu sensibilisieren.
Wie kann ich als Verein aktiv werden?
Abgeleitet aus den Empfehlungen der Deutschen Sportjugend (DSJ) und der Württembergischen Sportjugend (WSJ) haben wir im Folgenden die wichtigsten Bausteine für gelungene Präventionsarbeit in eurem Verein zusammengefasst.
Das Vorgehen
Das Thema Gewalt enttabuisieren
Es ist essentiell wichtig, dass im Verein ein Problembewusstsein in Bezug auf die Ausübung von Gewalt herrscht (unabhängig ob psychisch, physisch oder sexualisiert), um entsprechende Situationen zu erkennen und dementsprechend darauf reagieren zu können. Je besser das Thema im Verein kommuniziert wird, desto einfacher ist es für Betroffene, sich jemandem anzuvertrauen. Dies wiederum hat zur Folge, dass potenzielle Täter abgeschreckt werden.
Kinder stärken
Kinder haben Rechte! Aber nicht alle Kinder kennen ihre Rechte. Daher sollten Mitarbeiter*innen des Sportvereins bei Gelegenheit mit den Kindern über ihre Rechte auf Gewaltfreiheit und sexuelle Selbstbestimmung sprechen. Darüber hinaus ist es wichtig, dass zwischen Kindern und Jugendlichen und den Mitarbeitern*innen des Vereins ein vertrauliches Verhältnis besteht, denn es sollte für sie kein Problem darstellen, um nach Hilfe und Rat zu fragen. Dazu gehört allerdings auch, dass die Stimme der jungen Menschen gehört und ernst genommen werden muss.
Es besteht außerdem die Möglichkeit das Thema „Kinder stärken“ aktiv in eure Sportprogramme mit einzubauen. Einen Literaturtipp dazu findet ihr hier.
Positionierung im Verein
Schutzbeauftragte benennen
Um Prävention sexualisierter Gewalt in der Strukur des Vereins zu verankern, ist die Benennung von Beauftragten mit dem Aufgabenfeld Prävention und Intervention bei sexualisierter Gewalt ratsam. Optimal findet ihr ein Team von zwei verlässliche Personen- (weiblich/männlich) , die sich als Ansprechpersonen für eure Vereinsmitglieder zur Verfügung stellen und eventuell Aufgaben übernehmen
Beispiele:
- Sie sind vertrauensvolle Ansprechpartner für Betroffene und diejenigen, die etwas beobachtet haben und leiten im Falle eines Verdachts entsprechende Interventionsschritte ein.
- sie koordinieren die Präventionsmaßnahmen im Verein (Estellen Schutzkonzept, Leitfaden, …)
- sie erweitern ihr Wissen zum Thema und geben es an den Verein weiter
- sie knüpfen Kontakt zu Fachberatungen
Verankerung in Satzung
Die Satzung bildet das „Grundgesetz“ eines jeden Sportvereins. Daher sollte in dieser eine Passage zum Thema Kinder- und Jugendschutz bzw. Gewaltprävention verankert sein um die Haltung des Vereins nach innen und außen zu präsentieren. Einen Formulierungsvorschlag findet ihr hier.
Schutzkonzept
Ein umfassendes Präventions- und Schutzkonzept im Sport zeichnet sich dadurch aus, Schutzmaßnahmen zu implementieren, die auf verschiedenen Ebenen ansetzen und somit alle Beteiligten in Ihrem Verein in die Pflicht nehmen, den Kinderschutz einzuhalten. Sowohl strukturelle als auch pädagogische Maßnahmen sollten dabei berücksichtigt werden.
Mit einem systematischen Konzept haben sowohl Kinder und Eltern ein Bewusstsein für das Thema und das Wissen über die Zuständigkeiten innerhalb des Vereins. Den Übungsleiter*innen bietet es mehr Handlungssicherheit im Umgang mit Kindern und Jugendlichen und kann sie vor Pauschalverdächtigungen schützen.
Good Practise aus den STB Vereinen:
Persönliche Eignung
Das erweiterte polizeiliche Führungszeugnis für Trainer*innen und Übungsleiter*innen
Die Einsichtnahme in das erweiterte Führungszeugnis kann als ein weiterer Bestandteil eines umfassenden Präventionskonzepts dienen. Die Vorlage eines erweiterten
Führungszeugnisses gibt Vereinen mehr Sicherheit, es sollte nicht die Frage im Vordergrund stehen, ob es eine rechtliche Verpflichtung gibt, sondern was notwendig, sinnvoll und machbar ist, um die Kindern und Jugendlichen im Verein zu schützen.
Das Führungszeugnis ist ein persönliches Eigentum und wird nur zur Einsicht vorgelegt. Wir empfehlen unseren Vereinen die Einsicht und Dokumentation der Führungszeugnisse von einer neutralen, juristischen Person vornehmen zu lassen.
Qualifizierung Wissen und Handlungskompetenzen entwickeln
Eine kontinuierliche Kommunikation dieser Thematik ist grundlegend für eine gelungene Prävention im Sportverein. Das bedeutet im Konkreten, dass Übungsleiter*innen regelmäßig das Thema der sexualisierten Gewalt bei Vereinssitzungen ansprechen sollen, um dessen Wichtigkeit zu verdeutlichen. Des Weiteren besteht die Möglichkeit für jeden Verein, eine vereinsinterne Qualifizierung mit Referenten*innen kommunaler Präventionsstellen oder der Landessportverbände (Fortbildungen der WSJ) sowie der örtlichen Polizeikommissariate durchzuführen. Der STB bietet ein Online-Seminar speziell für Übungsleiter*innen an, um sie im Trainingsalltag zu unterstützen. Auch unser Kooperationspartner KOBRA bietet verschiedene Fortbildungen an.
Selbstverpflichtung
Ehrenkodex
Ein Ehrenkodex kann sicher keine sexuellen Übergriffe verhindern, doch die Unterzeichnung des Ehrenkodex sendet ein deutliches Signal von Seiten der Vereine und Verbände in Richtung potenzieller Täter, in dem die erhöhte Aufmerksamkeit auch zur Thematik sexualisierter Gewalt imVerein verdeutlicht wird.
Verhaltensleitfaden Sportliche Aktivitäten transparent gestalten
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist es, den gesamten Sportbetrieb transparent zu halten. Gerade das Stichwort Teamarbeit hilft, um eine „offene Sportstunde“ zu gestalten. Diese Durchsichtigkeit hat auch in Zusammenarbeit mit den Eltern einen hohen Stellenwert. Eltern soll immer gewährleistet sein, dass sie während der Übungsstunden ihrer Kinder anwesend sein dürfen. Damit jedoch auch die Übungsleiter*innen Verhaltenssicherheit im Umgang mit Kindern und Jugendlichen entwickeln, ist es sinnvoll, einen gemeinsamen Verhaltensleitfaden aufzustellen. Dieses Regelwerk sollte gemeinsam in der Gruppe erarbeitet und regelmäßig überarbeitet werden.
intervention
Unter dem Begriff Intervention werden alle Maßnahmen zusammengefasst, die dazu beitragen, Vorfälle von Gewalt zu beenden und die Betroffenen zu schützen. Außerdem umfasst die Intervention alle Schritte, die dazu beitragen, Vermutungen und Verdachtsäußerungen einschätzen und dementsprechend Maßnahmen einzuleiten. Folgende Maßnahmen dienen der Orientierung, um in konkreten Verdachtsfällen richtig handeln zu können:
Orientierung – was tun bei einem Verdachtsfall?
Das Vorgehen
Ruhe bewahren
Kein vorschnelles Handeln.
Zuhören
Vertrauen schenken ; Sicherheit geben damit über alle Themen geredet werden kann . Geben Sie keine Informationen an Dritte weiter, solange der Verdacht nicht bestätigt ist.
Dokumentation
Gespräche möglichst wortgetreu protokollieren (Datum/Uhrzeit/ Beobachtung). Sollte es zu einer Bestätigung des Verdachtes kommen, kann dies von entscheidender Bedeutung sein.
Fachberatung einbeziehen
Stellen Sie den Kontakt zu einer Fachberatungsstelle her. Diese wird Sie beraten und unterstützen (hier geht es zu den Kontakten).
Schutz der Betroffenen
Bestätigt sich ein Verdacht, muss das Opfer sofort vor weiteren Übergriffen geschützt werden.